Auf einmal ist es ruhiger und wir selber sind Teil dieser Ruhe. Persönliche Grenzen werden aufgelöst und neu definiert. Ich weiß, dass wir es gut haben: die Versorgung mit Lebensmitteln ist gesichert, die meisten haben ein Dach übern Kopf, Elektrizität, Kanalisation und Internet funktionieren, aber dennoch fühlt sich unser Dasein weitreichend beschnitten an. Fiktionale Zukunftsvisionen, vor allem in den Städten, sind auf einmal Realität und führen uns vor Augen, was ohnehin in unserer Welt gilt. Was für uns im Hintergrund war, rückt nach vorne und zeigt Probleme deutlicher als zuvor. Dabei sind wir mehr oder weniger auf uns allein gestellt. Kontakte wurden eingeschränkt. Projekte und Veranstaltungen wurden abgesagt oder verschoben. Jetzt gibt es auf einmal genügend Zeit für Dinge, die weiter unten auf der Prioritätenliste standen. Zuerst dachte ich: Mal Zeit zum Durchatmen. Ich nutze meine Zeit nun anderweitig. Stelle aber fest, dass der untere Teil der Prioritätenliste umfangreicher und die Einschränkungen länger dauern als gedacht. Mittlerweile können immer mehr bereits geplante Projekte, die man schon aktiv vorbereitet, vielleicht nicht realisiert werden. Wir werden mit unserer Arbeit zurückgeworfen, müssen ausgleichen, was nicht durch Routinen vorgegeben ist und es gibt viel zu tun: sich vernetzen und füreinander engagieren, Projekte planen, Probleme sichtbar machen, bei Vielem umdenken und aufeinander Acht geben.
Neben dem Befassen mit dem Weltgeschehen, dem Nachweisen von Projektergebnissen und des Definierens des Verbesserungspotentials für nachfolgende Projekte, steigen wir unter anderem immer mehr in die digitale Welt ein, um mit der Außenwelt in Kontakt zu bleiben. Dafür entstanden neue Optionen zur Interaktion, die nachhaltig fortgeführt werden können. Jetzt, wo die Prioritäten umgekehrt sind, müssen wir uns mit dem neuen Alltag und dem veränderten sozialen Leben auseinandersetzen. Allerdings wurde die Selbstoptimierung häufig durch Druck von außen ausgelöst, um diese Zeit bloß positiv und produktiv für die Arbeit und (unten in der Liste) die eigene Entwicklung zu nutzen, um in das Leben nach der Coronakrise als eine bessere Version seiner selbst zu starten.
Auf eine komische Art und Weise ist jeder Tag ungewiss und mir wird wieder bewusst, wie privilegiert ich eigentlich lebe. Draußen werde ich von den Leuten angelächelt und es öffnet mir das Herz, unter Fußmatten, an Säulen und Fensterscheiben Zettel mit Hilfsangeboten zu finden. Aber die beobachtende zunehmende Gewalt auf der Straße beunruhigt mich. Was sind wir Menschen füreinander? Lernen wir die Distanz zu schätzen und gestalten gerade dadurch die Verbundenheit qualitativer? Es bedrückt mich, dass ich nicht einfach so von Leipzig nach Halle fahren und all diese Menschen, die mir so unfassbar viel bedeuten, frei treffen und fest in den Arm nehmen kann. Dass ich nicht durch die Bars und Cafés ziehen und auf einer Feier mit anderen tanzen kann. Ich stochere mit meinen Gedanken nur noch in einem Wirrwarr von Erinnerungen, begleitet von der bangen Ungewissheit, was davon diese „neue Normalität“ werden wird und welche finanziellen Konsequenzen sich daraus ergeben. Denn was wir Zukunft nennen, ist nichts anderes als Vorstellungen, Gedanken in unseren Köpfen. Diese Vorstellungen sind von unserer Gegenwart, unseren Erinnerungen geprägt und ändern sich durch die Krise.
Bei dem Gedanken an das „Morgen“, an dem mein Leben sein Comeback bekommt, werde ich sinngemäß zum grinsenden Fragezeichen. 😁 Leute, sucht euch einen sicheren Stand, damit ihr euch halten könnt, wenn ich angejumpt komme. 😋
Einen lieben Gruß von mir aus Leipzig
Diana